Merkl Willy

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Biografie:
Merkl Willi, * Kaltennordheim (Türingen), Sachsen-Weimar,später Nördlingen,Schweinfurt, Augsburg
1920-1923 Nürnberg,1929 Neuaubing,München,
+ Nanga Parbat-Ostgrat, (Wettersturz, Erschöpfung)

Merkl war Mitglied des Akademischen Alpenverein München und 1922 aktives Mitglied der Burschenschaft Danubia Nürnberg.
Zuerst Mitglied der Traunsteiner "Bergsteigergilde", wurde er in den späten zwanziger Jahren Mitglied der Sektion Trostberg des Deutschen Alpenvereins. Merkl hatte mehrere Jahre im oberbayrischen Trostberg gelebt. Hier begann er seine bergsteigerischen Unternehmungen und entwickelte sich zu einem Spitzenbergsteiger der Sektion, der für die damalige Zeit ungewöhnliche alpine Leistungen erzielte.
Als Bergsteiger erschloss er rund 40 neue Felsanstiege in den Ostalpen und unternahm seit 1927 auch Touren in den Westalpen. 1929 führte er mit Fritz Bechtold auf einer Kaukasusdurchquerung acht Erstbesteigungen durch. Er eröffnete 1931 mit Willo Welzenbach unter schwierigsten Verhältnissen eine neue Führe in der Nordwand der Grands Charmoz. Merkl entdeckte als Leiter der Deutsch-Amerikanischen Himalaya-Expedition 1932 eine Route zum Gipfel des Nanga Parbat, auf der er mit der "Deutschen Himalaya-Expedition 1934" den Gipfel erreichen wollte. Das Unternehmen endete mit dem nicht vollständig geklärten Tod von zehn Bergsteigern. Merkls Leiche wurde 1938 gefunden. Seine Aufzeichnungen wurden 1936 von seinem Halbbruder Karl Herrligkoffer unter dem Titel "Ein Weg zum Nanga Parbat" herausgegeben.
Der Angriff 1934 auf den Nanga Parbat stilisierte Willy Merkl zu einer Heldenfigur, die zentral für den Mythos des Nanga Parbat als "deutschem Schicksalsberg" wird.
1953 wollte der Münchner Arzt das Vermächtnis seines Halbbruders Willy Merkl vollenden und organisierte die Willi-Merkl-Gedächtnis-Expedition. Diese deutsch-österreichische Expedition führte zum Erfolg durch die Erstbesteigung des Expeditionsmitgliedes Hermann Buhl.
Der Deutsche Alpenverein betreibt die Willi-Merkl-Gedächtnis-Hütte auf 1550 m in der Nähe von Grän und Musau im Gebiet der Allgäuer Alpen-Tannheimer Berge benachbart zur Otto-Mayr-Hütte und Füssener Hütte. Am Spitzingsee baute die Bergsportabteilung des Reichsbahn-Turn- und Sportvereins Neuaubing, deren Leiter Willy Merkl war, das Bergheim Willy-Merkl. Es wurde 1938 eröffnet und heute als Willy Merkl Haus betrieben.
Welzenbach war Mitglied der zweiten deutschen Expedition zum 8125 Meter hohen Nanga Parbat, der Deutschen Nanga-Parbat-Expedition 1934. Zusammen mit Willy Merkl, Ulrich Wieland und den Sherpas Nurbhu, Pinzo, Taschi, Dorje, und Gay-Lay starb Welzenbach im Schneesturm beim Rückzug auf dem Ostgrat an Erschöpfung.
In Traunstein ist eine Straße nach Willi Merkl benannt. In Flensburg beim Bahnhof Flensburg wurde nach ihm der Willi-Merkl-Platz, ein Fußballplatz der VfB Nordmark Flensburg benannt.


1915 Best.Kampenwand,1669m, (Chiemgauer Alpen)
1916 1.Beg.Hörndlwand Gipfelaufbau-Nordwestverschneidung,V,1684m, (Chiemgauer Alpen)
1916 1.Beg.Hörndlwand Vorbau "Vorbaukamin",IV-,55 HM, (Chiemgauer Berge)
1919 1.Beg.Hörndlwand Gipfelaufbau-Mittlere Nordwand "Bechtold-Merkl-Führe",IV,(Chiemgauer Alpen)
1919 2. Beg.Predigtstuhl-Nordgipfel-Westwand-Verbindungsführe "Schüle/Diem" -
"Haslacher/Beringer",VI-/A1,2116m, (Wilder Kaiser)
1919 25.Beg.Fleischbank-Ostwand "Dülfer-Schaarschmidt-Führe",V+,400 HM,2187m, (Wilder Kaiser)
1920 1.Beg.Hörndlwand-Vorbau "Merklriß",IV+,1684m, (Chiemgauer Alpen)
1.Beg.Hörndlwand-Vorbau "Pfeilerweg",V+,30 HM,1684m, (Chiemgauer Alpen)
1920 1.Beg.Hörndlwand-Mittlere Nordwand-Nordriß "Schwarzer Riß",VI-,150 HM,1684m, (Chiemgauer Alpen)
1920 1.Beg.Hörndlwand-Vorbau-Nordwand "Fritzriß",V+, (Chiemgauer Alpen)
1920 1.Beg.Gurnwand-Nordostkante,IV,1692m, (Chiemgauer Alpen)
1.Beg.Kampenwand-Innerer Nordgipfel-Nordwand "Merklriß",VI,1669m, (Chiemgauer Alpen)
1921 Beg.Totenkirchl-Ostnordostwand "Dülferkamin",V+,120 HM,2193m, (Wilder Kaiser)
1921 Beg.Predigtstuhl-Westwand-Westverschneidung,2116m, (Wilder Kaiser)
1921 2.Beg.Predigtstuhl-Nordgipfel-Westwand "Schüle-Diem-Verschneidung",VI-/A1,2116m, (Wilder Kaiser)
1921 Beg.Fleischbank "Dülferriss",VI-,250 HM,2187m,(Wilder Kaiser)
1922 5.Best.u.1.Beg.Däumling-Nordwand "Bechtold-Böttcher-Merkl-Hermüller-Führe",2322m, (Gosaukamm,Dachsteingebirge)
1922 Begehungsversuch Lalidererspitze-Nordwand "Dibona-Mayer", (Karwendel)
1923 Beg.Gimpel-Nordkante,2176m, (Tannheimer Berge,Allgäuer Alpen)
1923 1.Beg.Gimpel-Nordwestkante,2176m, (Tannheimer Berge,Allgäuer Alpen)
1923 1.Beg.Gimpel-Nordostwand-Nordkantenquerung,2176m, (Tannheimer Berge,Allgäuer Alpen)
1923 Beg.Gehrenspitze-Südostwand,2163m, (Tannheimer Berge,Allgäuer Alpen)
1923 1.Beg.Kleines Mühlsturzhorn-Südwand ?Bechtold-Bogner-Merkl-Müllritter-Führe?,2141m,
(Berchtesgadener Alpen)
1924 1.Beg.Geiselstein-Nordostkante,V+/A0,1885m, (Ammergauer Alpen)
1924 1.Beg.Hörndlwand Gipfelaufbau-Siemens-Wand,V,1684m, (Chiemgauer Alpen)
1925 1.Beg.Fünftes Sauhorn-Nordkante, (Leoganger Steinberge)
1925 2.Beg.Torre del Diavolo und Guglia Edmondo de Amicis, (Cardinspitzen)
1925 1.Beg.Punta Civetta-Ostwand,IV,400 HM,2892m, (Civetta,Dolomiten)
1925 Beg.Gehrenspitze-Nordwand "Solleder",2163m, (Tannheimer Berge,Allgäuer Alpen)
1926 Acht Erstbehungen im Pala-Nordzug, (Pala,Dolomiten)
1926 1.Beg.Cima di Campido-Nordwestwand,3001m, (Pala,Dolomiten)
1926 1.Beg.Lasteitürme (Campanile di Mezzo dei Lastei)-Direkte Südkante,IV,200 HM,2780m,
(Pala,Dolomiten)
1926 1.Beg.Lasteitürme (Campanile di Mezzo dei Lastei)-Nordwand,IV-V,2780m, (Pala,Dolomiten)
1926 1.Beg.Lasteitürme (Campanile Basso dei Lastei)-Nordwand,IV-V,2720m, (Pala,Dolomiten)
1926 1.Überschr.Drei Lastei-Türme,2780m, (Pala,Dolomiten)
1926 1.Beg.Großes Mühlsturzhorn-Südkamine,2235m, (Berchtesgadener Alpen)
1927 1.Beg.Großes Rothorn-Nordkante,2409m, (Loferer Steinberge)
1927 Überschreitung Barre Ecrins,4103m, (Dauphiné)
1927 Best.Meije,3987m, (Dauphiné)
1928 Beg.Montblanc-Brenvaflanke-Mooresporn,1500 HM,50°,4807m, (Montblancgebiet)
1928 Beg.Montblanc-Mittlerer Peutereygrat,4807m, (Montblancgebiet)
6.Beg.Laliderer-Nordwand, (Karwendel)
1929 Acht Erstbesteigungen im Kaukasus mit Fritz Bechtold
1929 1.Beg.Koschtan-Tau-Nordgrat,5145m, (Kaukasus)
1929 1.Beg.Kulak-Tau, 4062m, (Swetgargruppe,Kaukasus)
1929 1.Beg.Tawiriani-Tau,4130m,(Swetgargruppe,Kaukasus)
1929 1.Beg.Sarikol-Basch,4257m, (Kaukasus)
1929 3.Best.Uschba-Südgipfel über „Schulzeweg“, 4737m, (Kaukasus)
1929 Best.Elbrus,5629m, (Kaukasus)
1931 1.Beg.Drittes Watzmannkind-Südkante,2165m, (Berchtesgadener Alpen)
1931 1.Beg.Regalpwand-Südwestkante,2227m, (Wilder Kaiser)
1931 1.Beg.Aiguille de Grands Charmoz-Nordwand,V,Eis 65°,900 HM,3445m, (Montblancgebiet)
1932 Leiter der Deutsch-amerikanischen Nanga Parbat-Expedition, 8125m, (Himalaya,Pakistan)
1932 Best.Vers.Nanga Parbat bis 6950m,8125m, (Himalaya,Pakistan)
1934 Best.Vers.Nanga Parbat-Ostgrat,8125m, (Himalaya,Pakistan)

Gerd Schauer, Isny im Allgäu


Todestag kann nicht genau festgestellt werden!!!I Vermutlich 14., 15. oder 16. Juli 1934;

Ich hatt' einen Kameraden, einen bessern findst du nit....
Willy Merkls Jugend sehe ich vor mir als eine Kette voll glückhafter Erfolge, als eine einzige Erfüllung. In seinem Wesen vereinte er einen gesunden Optimismus mit einer kampffrohen und immer tätigen Natur. So schien er sein Leben gestalten zu können nach eigenen Wünschen und Notwendigkeiten. Er hat viel erreicht. Aber nun, da er nach dem Höchsten griff, hat ein tragisches Schicksal sein Leben und sein größtes und stolzestes Werk kurz vor Erreichen des Zieles zerschlagen. Der Nanga Parbat, dessen leuchtender Gipfel ihm die Krönung seines S'trebens sein sollte, hat ihn behalten; und mit ihm drei seiner treuen Kameraden, Alfred Drexel, Willi Welzenbach und Ali Wieland, sowie sechs brave Darjeeling-Träger.
Am 6. Juli — es war in Lager VII (7150 m) unseres Angriffes auf den Nanga Parbat — gingen wir mit einem kräftigen Händedruck auseinander. Ich sollte zwei höhenkranke Träger nach Lager IV zurückbringen und Proviant wieder nach Lager VI und Lager VII heraufschaffen. Willy Merkt ging mit Aschenbrenner, Schneider, Welzenbach und Wieland hinauf zum ersten Gipfelangriff. Es war ein strahlender Tag und der stolze Gipfel so nah! Hochauf flog unsere. Siegeszuversicht. Bei memem Rückweg sah ich Willy das letztemal, wie er als kleiner, dunkler Punkt den Silbersattel erreichte. Der steile Firngrat hinauf zu den Ostgipfeln war überwunden. Wieder ein fragliches Stück näher dem Gipfel. Als ich am Abend das Lager IV erreichte, konnte ich Bernard und Müllritter nichts Freudigeres berichten als ein überzeugtes, sieghaftes „Morgen fällt der Gipfel!".
Droben wurde inzwischen in 7600 m Höhe auf dem Gipfelplateau das Lager VIII errichtet, 4 bis 5 Stunden unter dem Hauptgipfel. Nur das späte Eintreffen der Träger konnte Aschenbrenner und Schneider hindern, noch am gleichen Tag den nahen Nordgipfel (7950 m) zu ersteigen. So standen die Dinge bei der Spitzengruppe, als jene Naturkatastrophe begann, die zum Zusammenbruch der Expedition führte. In der Nacht vom 6. zum 7. Juli brauste über den Nanga Parbat ein furchtbarer Sturm. Die Zelte wurden eingeknickt wie Zündholzschachteln in der Hand eines Titanen. Nach grimmer Sturmnacht lachte den Bedrängten kein freundlicher Morgen. Durch die undurchdringlichen Schneewolken, die der wütende Orkan über das Lager trieb, leuchtete keine Sonne. So vergingen ein Tag und eine zweite grauenvolle Nacht im Lager VIII in eisernem Aushalten und dumpfem Abwarten. Am Morgen des 8. Juli wurde der Abstieg beschlossen. Aschenbrenner und Schneider sollten vorausgehen und die Spurarbeit leisten. Die anderen wollten nachfolgen. Die beiden erreichten nach ungeheurer Kraftanstrengung abgekämpft, aber wohlbehalten das Lager IV. In etwa 1 Stunde mußten die Kameraden mit den Trägern nachkommen. Wir warteten; der für sie bereitete Tee blieb ungenossen. Wir warteten eine Nacht - und noch viele. Sie kamen nicht mehr. Die vor Aschenbrenners und Schneiders Eintreffen in Lager IV schon begonnenen Versuche, nach oben zu kommen, wurden mit ihrer kraftvollen Verstärkung täglich fortgesetzt. Aber alle mit großer Energie und restloser Opferbereitschaft vorgetragenen Rettungsversuche erstickten im wütenden Schneesturm und grundlosen Pulverschnee. In Minuten, in denen der Sturm sich selbst überbot, rissen die Wolken auseinander. Wir konnten dann hinauf bis zum Gipfel sehen. Kilometerlange Schneefahnen peitschten von den Kämmen und Graten waagrecht hinaus auf die Rakiotseite. Der kühne Rakiot Peak stand wie ein riesiges, rauchendes Fanal. Aber ihn führt der einzige rettende Weg--
Am.14. Juli, als wir schon nicht mehr hoffen durften, noch einen Mann der Spitzengruppe lebend zu sehen, traf, völlig erschöpft und mit erfrorenen Gliedern, Angtsering, der zweite Träger Merkls, in Lager IV ein. Er brachte uns die einzigen Nachrichten von den letzten Tagen seines guten Bara-Sahib. Trotz der ausführlichen Aussagen bleibt der Schleier des Geheimnisses, der über dem entscheidenden Ereignis liegt, ungelüftet. Warum am 8. Juli, als Aschenbrenner und Schneider von Lager VIII aufbrachen, die kurz nachfolgenden Kameraden
in der Spur nicht weiter kamen als nach dem improvisierten Lager zwischen VII und VIII — wir wissen es nicht!
Sicher ist, daß Willy Merkl das tiefe Leid der Katastrophe bis zur bitteren Neige kosten mußte. Es war, als ob die Natur, die ihn zum prädestinierten Führer auszeichnete, ihm auch die körperlichen Fähigkeiten verlieh, in Sturm und Kälte bis zum letzten auszuhalten. Am 9. Juli erlebte er den Tod eines seiner treuesten und besten Mitarbeiter, Ali Wieland, 30m vor dem Lager VII. Vier Tage später starb sein guter Freund und erprobter Seilgenosse Willi Welzenbach neben ihm im Schlafsack. Wie uns der später zurückgekommene Angtsering erzählte, war die Spitzengruppe auch der Meinung, daß Aschenbrenner und Schneider mit den geretteten Trägern am 8. und 9. Juli im Schneesturm umgekommen seien. So hat Willy Merkt in schlaflosen Sturmnächten das tiefe Leid jedes einzelnen gelitten. Am 13. Juli ging
er noch mit den Trägern Gay-Lay und Angtsering mit der ihm eigenen Zähigkeit, auf zwei Eispickel gestützt, von Lager VII nach einem Zwischenlager zwischen VI und VII. Es war in Form einer kleinen Eishöhle errichtet worden. Dann war er zu Ende mit seinen Kräften. Willy Merkl war als Mensch, als Kamerad und als Führer von solch überzeugenden Qualitäten, daß jeder, der ihn sah und hörte, an seine Befähigung glauben mußte. Überall flogen ihm die Herzen zu. Mit diesen Sympathien hatte er auch über alle Schwierigkeiten hinweg diese Himalaja-Expedition gegründet. Stets hat er die Freuden und Schönheiten der großen Fahrt freigebig mit uns geteilt und alle Last und Sorgen allein getragen, nur von. dem Gedanken beseelt, wir alle möchten gänzlich unbeschwert an den Verg kommen. So ist es natürlich, daß alle Kameraden und Träger zu ihrem Führer in großer Achtung und unverbrüchlicher Treue standen. Darum durfte er auch noch in seinen letzten Tagen und Stunden ein unerhörtes Kameradschaftsbekenntnis empfangen. Gay-Lay, der sich am 14. Juli mit Angtsering noch hätte retten können, hielt seinem Bara-Sahib die Treue bis in den Tod. In Willy Merkls Leben war keine Tragik. Vielleicht mußte er sie deshalb noch im Tod in aller Vielgestaltigkeit erfahren. Er, der in monatelanger Kleinarbeit die Riesenausrüstung der Expedition erdachte und schaffte, hatte in seiner Todesstunde gemeinsam mit dem braven Gay-Lay nichts anderes mehr als eine Kulidecke. Wir alle hoffen, daß die Natur über seine letzten Tage den wohltätigen Schleier völliger Apathie gebreitet hat. So mußte er vielleicht nicht mehr mit wachen Sinnen den Wahnsinn erleben, vom Zwischenlager zwischen VI und VII aus zu sehen, wie die täglichen Rettungsversuche zurückgeschlagen wurden. Seinen Todestag - wissen wir nicht genau. Er starb am 14., 15. oder 16. Juli. Hoch droben, am leuchtenden Gipfelgrat, liegen die unvergeßlichen Kameraden mit den treuen Trägern. Wir haben sie nicht mehr beerdigen können, Hunger und Sturm trieben uns abwärts. Der weiße Schnee wird sie decken. Es trifft sie das erste Licht des jungen Tages, und am Abend, wenn die Schatten am Berge steigen, haben sie das letzte Leuchten. Ein Bergsteigergrab ohnegleichen!
So starb unser Kamerad, unser Führer. Wir Überlebenden hatten keine Möglichkeit mehr, zu den Toten zu gelangen. In diesem Sinn ist die Expedition zu Ende. Uns bleibt nur noch die Aufgabe, die ideellen Werte, die der Opfertod unserer Kameraden geschaffen hat, zu bewahren. Ihr Geist war deutscher Forscher- und deutscher Kampfgeist. And das sollst du wissen, deutsche Jugend: ihr Geist wird wieder aufstehen und zu neuer Tat entzünden.
Bei meinem stillen Abstieg vom Lager IV nach dem Hauptlager kam es mir in den Sinn, daß sich an diesem Tage zum 20. Male die Zeit jährte, da ich mit Willy Merkl die erste gemeinsame Bergfahrt machte. Seit dieser Zeit hielten wir eisern zusammen, in den Bergen und auch im Leben. Andere Fahrten folgten, jedes Gelingen erzeugte neue Wünsche, neue Sehnsucht. Damals drückten die Dreizehnjährigen die abgescheuerte Schulbank der Realschule zu Traunstein, und ihr Sonntagstraum galt noch vorläufiq den zahmen Grasbuckeln der Chiemgauer Alpen. Die Eltern lachten über die neue Leidenschaft ihrer Jungen, die sicher bald durch eine andere abgelöst würde. Aber sie hatten nicht' mit dem systematischen Planen Willy Merkls gerechnet. Darin war er schon damals großartig. Jede Fahrt war eine kleine Steigerung der vorherigen, niemals war Willys Ziel über körperliche Fähigkeit und technisches Können gesteckt. Mit wachsender Vergerfahrung griffen wir zu Seil und Kletterschuh. Die Eltern hörten auf zu lachen und wurden dafür zuweilen recht ungemütlich. Die letzten Kriegs- und Inflationsjahre kamen und die Verproviantierung unserer Bergfahrten wurde auch im gemütlichen Chiemgau mit unseren bescheidenen Mitteln immer schwieriger. Willy wußte immer wieder zu helfen. Einmal kam er mit einem Leiterwagen voll amerikanischem Geselchten an, das er irgendwo ränkevoll erbeutet hatte. So vergingen die glückhaften Jahre unserer gemeinsamen Jugend. All die großen Wände der Ostalpen und der Dolomiten waren uns zu eigen, darunter manch schneidige Neutur. Willy Merkls Namen bekam einen guten Klang in der Zunft der Bergsteiger. Wer einen Hüttenabend mit ihm erleben durfte, mußte in ihm den lieben, sonnigen Menschen, den stets hilfs- und opferbereiten Bergkameraden schätzen. Aufrechter stand keine Tanne in den Bergen seiner Heimat wie sein hochfliegender Sinn. Urdeutsch war seine Gründlichkeit in allen Dingen, sein kraftvolles Zugreifen nach vorsichtigem Abwägen und rastlosem Vorbereiten, deutsch sein nimmermüder Kampfgeist, seine Zähigkeit in der sorglichen Wahl und in der Verfolgung seiner Ziele. Wer
ihn kennenlernte, hat von dem Menschen Willy Merkl einen zwingenden, nachhaltigen Eindruck erhalten. So kam es, daß er im Laufe seiner vielen Fahrten einen großen Kreis Gesinnungsgenossen und Freunde sich erwarb. Selbstverständlich ist, daß er mit seinem harten Wollen und zielbewußten Streben auch im Beruf den Weg zum Erfolg fand. Nach Abschluß unseres gemeinsamen Studiums an der höheren technischen Staatslehranstalt Nürnberg trat er 1922 in die Dienste der Deutschen Reichsbahngesellschaft und war zuletzt als technischer Reichsbahninspektor beim Reichsbahn-Ausbesserungswerk München»-Freimann tätig. Er erfreute sich bei Vorgesetzten und Arbeitskameraden höchster Wertschätzung und Beliebtheit. Nachdem wir beide im Beruf standen, gingen unsere Lebenswege auseinander, nicht aber unsere Bergpfade. Willy Merkl, der in allen Dingen nach abschließender Vollkommenheit strebte, drängte nun nach großen Eisfahrten. So sah uns manch gemeinsamer glücklicher Urlaub in den Westalpen im Kampf und Erreichen der höchsten Ziele. Willy Merkl war zum Bergsteiger großen Formats gereift. Wer ihn im glatten Fels, am dräuenden Aberhang oder mit der ihm eigenen Ruhe im steilen Eis eine Stufenreihe legen sah, der wußte: der Mann kann nicht fallen. Ich habe me daran geglaubt, daß er in den Bergen bleiben könnte.
Willy Merkl war keine Träumernatur. Er konnte nicht stehen bleiben und Rückschau halten auf die glänzende Kette seiner Erfolge. Wie es ihn vom Fels ins Eis trieb, so hielt es ihn nicht in den Alpen. Eines Tages überraschte er mich mit dem kühnen Plan, in möglichst weit ausholender Durchquerung den zentralen Kaukasus kennenzulernen. Zuerst lächelte ich angesichts der sich auftürmenden Schwierigkeiten etwas ungläubig. Schließlich wurde die Idee Wirklichkeit. Mit hoffnungslosen Atopien hat sich Willy Merkl nie beschäftigt. 1929 fuhren drei deutsche Bergsteiger, Willy Merkl, Walter Raechl und ich, unter dem stolzen Namen Deutsche Kaukasus»Expedition gen Rußland. Die große Fahrt war ein einziger Erfolg. Ich kann das mit um so berechtigterer Genugtuung sagen, als alle Vorbedingungen dazu ausschließlich Merkls Verdienst waren. All die Berge vom Gültschi bis zum Elbrus, die auf dem langen Programmzettel standen, wurden unser. Erfüllt von mächtigen Eindrücken kehrten wir nach Hause. Wer in langsamem, aber stetem Steigen des Erlebens auf so viele Erfolge zurückschauen konnte wie Willy Merkl, der durfte auch nach dem Höchsten greifen. Dieses Höchste sind für uns Bergsteiger die noch unbezwungenen Achttausender des Himalaja und des Karakorums. Der Weg aber nach dem fernen Osten ist weit und gepflastert nnt all den Hindernissen und Schwierigkeiten, ohne die eine große Tat keine ist. Aus dem hochfliegenden Gedanken wuchs allmählich der Entschluß und dem folgte die Tat. Das kleine Arbeitszimmer Merkls in München wurde zum Hauptquartier einer Himalaja-Expedition, deren stolzes Ziel der 8136 m hohe Nanga Parbat im westlichen Teil dieses Gebirges war. Zwischen Haufen von Arbeit und Bergen von Schwierigkeiten fand Willy Merkls Organisationstalent ein weites Betätigungsfeld. Im April 1932 führte er bereits sieben Bergsteiger nach Kaschmir. Im grandiosen Talschluß des Rakiottales sahen wir zum erstenmal den gewaltigen Berg mit seiner ungeheuren Steilwand. Das war ein Ziel, würdig einer Krönung. Dem Kampf und dem Siegeswillen der Expedition blieb der Gipfel versagt. Sturm und Trägerelend trieben uns zurück vom Lager VII, das bereits in 7000 m Höhe auf dem Gipfelgrat lag. Wir hatten zwar nicht den Gipfel erreicht, als Kundfahrt aber war Merkls Unternehmen dennoch ein Erfolg. Der Weg zum Gipfel war gefunden — und wir wollten wieder kommen. Noch in der gleichen Nacht, als sich das Schicksal der Expedition entschied, begann Merklin Lager IV mit Aufzeichnungen über allgemeine Erfahrungen, Verbesserung der Ausrüstung und über einen neuen Angriffsplan. Dieses sofortige Weiterarbeiten an dem gesteckten Ziel ohne Rast und Rückschau, diese unerbittliche Konsequenz aus jedem Geschehen gehörte einfach zu ihm. And diese Nacht, die das Ende der ersten Expedition bedeutete, war schon der Anfang der nächsten Fahrt zum Nanga Parbat ----- Inzwischen brauste über Deutschland die neue Zeit. In ihrem frischen Kampfwillen wuchs eine neue Deutsche Himalaza-Expedition Willy Merkls, größer und stolzer als die erste. Seine überzeugende Persönlichkeit und sein beredtes Wort hatten die deutsche Eisenbahnerschaft zu begeistern gewußt. Die Organisation der Reichsbahn-Turn- und -Sportvereine legte ihre Spargroschen zusammen und schuf so die Mittel für die Verwirklichung des Unternehmens.
Der Nanga Parbat ist Merkls Schicksal geworden. Hart nebeneinander lagen Sieg und Niederlage, Glück und Tragik, als die Würfel fielen. Man kann eine Expedition kaum sorgfältiger vorbereiten und durchdenken, wie das Willy Merkl tat. Irgendwo und irgendwann wird die Belagerung eines Achttausenders immer schicksalhaft sein, bei allem voraussätzlichen Können, bergsteigerischer Erfahrung und hartem Wollen. And das ist jeden wirklichen Kampfes tiefster Sinn, wie man es auch wenden wolle.
Das Leben Willy Merkls war ein einziges Hohelied der Berge, angefangen von der Ouvertüre der Heimatberge bis zu den brausenden Sturmakkorden des Finale am Nanga Parbat. Nun ruht er droben am leuchtenden Grat, höher als andere Menschen ruhen, jenseits von
Wollen und Erreichen. Sein Name und die Namen seiner toten Kameraden werden für jeden deutschen Bergsteiger Begriff, werden, wie es für jeden Engländer die Namen Mallory und Irvine sind. In uns, die wir ihn liebten und kannten, wird immer sein leuchtendes und starkes Vorbild fortleben.
Fritz Bechtold.
Quelel Mitteilungen des DÖAV 1934, Seite 235-237;









Geboren am:
06.10.1900
Gestorben am:
16.07.1934

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