Westwand - "Dülferführe"

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Routen Details:
Totenkirchl—Westwand (Dülferweg)
Hans Wörndl (S. Bayerland) und Willi Bachmaier (Rosenheim); 28. Februar. bis 2. März 1953
Als wir im vergangenen Sommer durch die Dülfer-Westwand auf das Totenkirchl stiegen, dachten wir daran, im Winter wiederzukommen. Wir wollten dabei keinen Rekord aufstellen, sondern nur den Fels, der uns im Sommer vertraut geworden, auch im Winter kennenlernen. Von einer früheren Besteigung, die als eine winterliche gewertet wurde, hatten wir gehört (Georg und Karl von Kraus am 30. April 1928).
Es war mondhelle Nacht, als wir am 28. Februar nach 3 Uhr von der Kaisertalhütte aufbrachen. Der Kälte wegen hatte jeder zwei Hosen angezogen. Die schweren Rucksäcke, die Zdarskysack, Wäsche, Proviant, Seile, Schlosserei u. a. enthielten, heizten uns bald ein. Gegen 7 Uhr standen wir am Einstieg der Winklerschlucht. Über einen 150 m hohen Lawinenkegel kamen wir rasch hinauf, dann begannen die Schwierigkeiten. Der Fels war vollkommen vereist. Anfangs versuchten wir Haken zu schlagen, mußten aber wegen des Eispanzers darauf verzichten. Stufen hackend arbeiteten wir uns höher und sicherten mit den beiden, je 40 m langen Perlon- und Hanfseilen über Felszacken. Die Querung in die Wand hielt uns 6 Stunden auf. Eine glasharte Eisschicht, durch einen Wasserlauf im Spätherbst geschaffen, überzog alle Rippen und Risse. Kerben schlagend kam ich Schritt für Schritt vorwärts. Die Sonne war bereits im Westen untergegangen, als wir, drei Seillängen höher, auf einer etwas flacheren Stelle unser erstes Biwak bezogen. In eine Wächte hackten wir ein etwa 80x 150 cm großes Loch, benützten die drei Seile als Sitzunterlage und stülpten den Zeltsack über. Gegen Mitternacht erhob sich ein Sturm und es begann zu schneien. Die Kälte ließ uns nicht schlafen. Morgens war das Wetter wieder gut. Gegen 9 Uhr brachen wir auf. Die Risse in der Wand waren wie am Vortag vereist, die Griffe mit Schnee verweht. Gegen Mittag standen wir vor dem großen Seilquergang. Die Sonnenwärme tat uns hier gut. Die tiefe Nische nach dem Schluchtquergang war vollkommen mit Schnee an-gefüllt. Das Eis am Fels begann zu tauen. Das Schmelzwasser lief an uns herunter und durchweichte die Schuhe, die bis zum Abend wieder steinhart froren. Wieder bewegten wir uns auf schneebedecktem und vereistem Fels, der keine Hakensicherung zuließ. Als zweiten Biwakplatz wählten wir die „Buch-Höhle". Es war noch warm von der Sonnenbestrahlung, aber abends sank die Temperatur rasch. Inzwischen hatten wir die Wäsche gewechselt. Wegen eines Defektes hatten wir unseren Kocher zurückgelassen, deshalb waren wir froh, in der Höhle etwas trockenes Gras zu finden. Es gelang uns, ein Feuer anzufachen, über dem wir Schneewasser für Neskaffee wärmten. Schließlich opferten wir noch einige Taschentücher, die gut verbrannten und das Wasser fast heiß werden ließen. Dann legten wir uns schlafen und drehten uns auf Kommando von einer Seite auf die andere.
Am Morgen war das Wetter unverändert. Willi ließ einen Randbeschlag abstürzen und mußte sich 30 m abseilen, um ihn zu holen. Die Ausstiegsrisse waren wieder vereist und die schweren Rucksäcke behinderten uns sehr. Das Risiko der Kletterei war groß, denn bis zum Gipfel konnten wir nicht einen Haken anbringen. Um 13 Uhr standen wir oben.
Es war fast windstill. Aus Löchern tranken wir das nach Moos schmeckende, nicht ganz klare Schneewasser. Zwei Stunden rasteten wir. Noch stand uns ein Abstieg über die tiefverschneite Nordflanke bevor. Der im Sommer unschwierige Führerweg bot uns keine Vorteile und so seilten wir uns 'oftmals in der Fallinie ab. Zuletzt ging es durch eine 120 in hohe, von Wandabbrüchen gesperrte Schneerinne. Hier überraschte uns die Nacht. Da hingen wir, leuchteten mit den Feuerzeugen das glitzernde Gewänd ab, hackten Griffe und schlugen die letzten Haken. Dabei flog Willi zweimal in eine Randkluft.
Um 21 Uhr standen wir am Fuß der Felsen und konnten die Seile einrollen. Über den verwächteten Grat stapften wir zum Stripsenjoch hinunter. Von dort leuchtete uns ein Feuer entgegen. Hans Gaugg, der Bewirtschafter der Kaisertalhütte, war schon zum zweitenmal heraufgestiegen, um nach uns zu schauen. Nun war uns das Feuer sehr erwünscht. Willi hatte sich leichte Erfrierungen geholt. Wir wärmten und trockneten uns und kamen gegen Mitternacht zur Hütte, wo wir literweise Tee tranken und alles verzehrten, was uns die Wirtin auftischte. Und dann gings in die Betten, die uns nach den zwei Nächten in der Totenkirchl-Westwand besonders weich, warm und angenehm erschienen.
Quelle: Mitteilungen des DAV 1953, Heft 4, Seite 54

Winterbegehung der dir. Totenkirchl-Westwand. Anfang März erkletterten Hans Wörndl (AVS. Bayerland) und Willy Bachmayer die dir. Totenkirchl-Westwand. Sie waren drei Tage in der Wand und biwakierten zweimal bei 10 Grad Kälte.
Quelle: DAV Mitteilungen 1953, Heft 3, Seite 46



Datum erste Besteigung:
26.09.1913
Erste(r) Winter-Besteiger(in):
02.03.1953
Gipfel:
Totenkirchl
Erste(r) Besteiger(in):
Dülfer Johannes
Redwitz Willi Freiherr von
Erste(r) Winter-Besteiger(in)
Bachmaier Willi
Wörndl Hans