Sattler Hermann

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Biografie:
1901 1.Überschr.Forcella Zana, (Primör-Dolomiten)
1903 1.Best.Kleines Bärenhorn, (Sächsische Schweiz)
1905 Erkundung Gletschergebiete der Klaas-Billenbay in Spitzbergen, wobei zehn der bedeutendsten
Berge, darunter der dem Inlandeis entragende Terrier erstmals bestiegen wurden.
1905 1.Best.Terrier, (Klaas Billenbay,Spitzbergen)
Gerd Schauer, Isny im Allgäu


Quelle: DAV Mitteilungen 1944, Seite 11

Hermann Sattler (+)
Auf meinem Arbeitstisch am Fenster der Aigner Waldvilla ruhen drei mir im Laufe der Jahre lieb und teuer gewordene zierliche Mappen. Freundschaftliche Angebinde meines unvergeßlichen Gefährten Hermann mit Bildern gemeinsamer Wanderungen über Fels und Eis, von ihm selbst mit schönheitsuchendem Auge festgehalten...
Von einem der ältesten Vertrauten Sattlers in der Dresdner Bergsteigergemeinschaft, Berthold Kayser, hören wir, daß der Höhendrang in Sattler schon frühzeitig erwacht war, und zwar in Montreux, wo er als Kind mit den Eltern weilte und ihm dort der Anblick des märchenhaften Dent du Midi „zum Symbol für das ganze Leben" wurde.
Schon in früher Jugend finden wir ihn mit Kommilitonen der Dresdner Hochschule als unentwegten Stammgast im Monstre-Klettergarten der durch hochromantische Eigenart ausgezeichneten Sächsischen Schweiz, zu deren erfolgreichsten Erschließern er bald zählte.
Rasch sicherte er sich eine bewundernswerte Klimmtechnik, die es ihm ermöglichte, sechs unerstiegene Türme und neun neue Anstiege zu meistern.
Er darf in der Folge mit Fug und Recht den bedeutendsten Felsenmännern zur Seite gestellt werden, wie Dr. Kusahl, Perry Smith, W. Hunig, R. Racke, Fr. Meuser, O. Schuster, E. Altkirch, R. Fehrmann, I. Brosin, W. Thiel, I. Gerbig, O. Huntschel, F. Hartmann und R. Kurze.
Langjährige, „touristische Kleinarbeit" im Sandsteinfels war der Auftakt zu der Lösung sehr ernster hochalpiner Aufgaben, die er sich von 1903 an in verschiedenen Dolomitengruppen, in den Steiner (Sanntaler) Alpen, im Bergell, den Berchtesgadnern und in der Karnia auserwählt hatte — stolze Felsgänge, welche ihn mit namhaften Bergsteigern zusammenführten, so mit G. Frh. v. Saar, Dr. A. Hacker, O. Schuster, F. I. Gaffner, L. Reinl, O. E. Mayer, Dr. Kufahl und Dr. R. Weitzenböck.
Mit hoher Befriedigung gedachte er stets seiner Erschließungserfolge in der Agnergruppe der Croda Grande im Sommer 1903, wo er dasjenige, was ihm „die Matadore einer längst entschwundenen Bergsteigerepoche, Gustav Euringer, Cesare Tomé, Oskar Schuster, E. Clement und Beatrice Tomason, übrig gelassen hatten, in stürmischem Siegeszuge eroberte".
Nur begleitet vom „Löwen von Frassene", dem todesmutigen Alpler S. Parisenti, betrat er damals als erster: Spiz d'Agner, Südgipfel 2609m und Nordgipfel 2503m, den westlichen Pizzetho, 2226 m, den Pizzo della Forcella Lustre, 2150 m, die Cima della Lastiea und den Dente di Santanasso, 2036 m — durchaus erstklassige Felsenzinnen, deren Erreichung nach dem Schwierigkeitsgrade der damaligen Klettertechnik „an der Grenze des
Menschenmöglichen" stand.
Hermann versicherte uns oft, daß das Gelingen dieser Touren nur der Pfadfindergabe und dem unglaublichen Draufgängertum Parisentis zu verdanken war, dem zu Ehren er die höchste Scharte im d'Agnergrat benannte. Alle diese langwierigen Kletterfahrten finden sich von Sattler anschaulich geschildert in der ÖAZ. 1904.
Einen besonderen berglerischen Triumph nannte der Dresdner Felsenmann O. Schuster die mit Kufahl und Sattler führerlos geglückte Überschreitung der trotzigen Cima del Largo, 3188 m, im Stillfrieden des Bergell.
Viel besprochen wurde in der alpinen Welt die von dem erlesenen Trio Dr. A. Hacker, L. Sattler und G. v. Saar in das Programm des Jahres 1905 aufgenommene „erste Österreichische Spitzbergen-Expedition", welche den Charakter einer wissenschaftlichen Kundfahrt an sich trug und zehn Erstersteigungen in der Umrandung der Glasbillenbai in den Firnregionen des Landes der Mitternachtssonne verzeichnete. Dank der glänzenden photographischen Ausbeute des wohlorganisierten Unternehmens war es Sattler möglich, in zahlreichen geographischen und touristischen Vereinigungen Österreichs, Deutschlands und der skandinavischen Länder Lichtbildervorträge zu halten, welche das allergrößte Interesse weckten.
Im Bergsommer 1907 sehen wir ihn mit G. v. Saar im Banne der wildprächtigen Steiner Alpen, an deren Fuß die beiden in der Tschechischen Lütte in den oberen Rauni, in der Zoishütte am Kankersattel und in der kleinen Kocna Kocbek an der Ojstriea weilten, wo sie, bei mißlichen Wetterverhältnifsen wochenlang festgehalten, entsagungsvolle Tage verlebten. Als Lohn für das Ausharren in dürftigen Räumen verzeichnet das Tourenbuch Sattlers die Bezwingung der unvergleichlichen Nordabstürze des Grintouc, 2599 m, der brüchigen Nordflanke der Skuta, 2530 m, und der wilden Vellacher Kocna, 2154 m, über die Südwand, ungemein verwickelte Besteigungen, welche in der damals noch recht unansehnlichen Schar der slowenischen Alpinisten neidlose Bewunderung hervorriefen.
Mitten in die Neutouren des genannten Sommers fällt die mit F. I. Gassner und v. Saar am 20. Juli 1907 bewerkstelligte 1. Ersteigung der Keilspitze, 2748 m, in den Lienzer Dolomiten über die Nordwestwand.
Auch während der Kriegsjahre benützte L. Sattler, der den Rang eines Stadtbaurates bekleidete und Mitbegründer des akademischen AV.-Zweiges Dresden war, seinen knapp bemessenen Urlaub, um den Alpen nahe zu sein. Da waren es vor allem Wetterstein und Hochschwab, die Hohen Tauern und die Goldberggruppe mit ihren Höhenwegen „von Hütte zu Hütte", denen er sich mit Vorliebe zuwandte.
In seinem Gipfelbuch sind 638 Besteigungen, darunter viele Erstbegehungen, Winterbergfahrten und Alleingänge verzeichnet.
In seinen Bergen suchte und fand Hermann den lindernden Balsam für so manches tiefe und herbe Leid, mit dem ihm der sorgenvolle, graue Alltag den rauhen Lebenspfad umschattete. Die schmerzvollste Erregung war es für ihn sicherlich, daß sein Sohn auf den Schlachtfeldern des Ostens ein frühes Ende fand. Sattler konnte dieses Weh nicht mehr verwinden und erlag vier Wochen nach Erhalt der Botschaft in Nürnberg einem Herzschlag.
Wir aber, die wir ihn dorthin begleiten durften, wo er, losgelöst von allen irdischen Kümmernissen, wahrhaft glückliche Stunden verlebte, wir werden seiner zeitlebens in treuer Verbundenheit gedenken als einem der Besten, die zu den leuchtenden Altären unserer Bergwelt emporgestiegen sind.
Fiduzit! Karl Doménigg.
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1949, Folge 1248, Seite 208-209

Gestorben am:
15.01.1944