Frenademetz Hans

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Biografie:
geboren in Innsbruck (Österreich)
gestorben in Innsbruck (Österreich)

Ein glasklarer, frischer Maimorgen — wir sitzen am Gipfel der Karlesspitze in den Kühtaier Bergen und warten, bis die ersten Sonnenstrahlen die beinharten Firnhänge unter uns erweichen und geführig machen. Dann schwelgen wir hinunter, ganz nach unserer Art, nach unserem Geschmack, genießen die Abfahrtsfreuden und das wunderbare Gefühl allein zu sein in dieser strahlenden Welt. Kaum einmal in den vielen Jahren gemeinsamer Abfahrten hatte sich der Hansl so wohl, so sicher gefühlt, bewegte sich so elegant auf den Skiern, wie an diesem Tag. Und am Ende dieser Abfahrt erklärt er mir strahlenden Augen: „So soll's halt weitergehen die nächsten Jahre!" Wenige Tage später starb der Hansl an Herzversagen. Gesund bis zur letzten Stunde, von einem nie erlahmenden Verlangen nach dem Erlebnis Berg, dem Drang nach oben, hat sein erfülltes Leben — wenn auch unerwartet für ihn und Freunde - ein plötzliches Ende gefunden. So wie er sich's eigentlich stets gewünscht hatte.
Hansl war von frühester Jugend an den Bergen verfallen. Die Jahre vor, während und nach dem ersten Weltkrieg mit all seinen Folgen prägten den Buben zu jener Entbehrungsbereitschaft, die ihn schon in seiner reiferen Jugend den Verzicht auf die bescheidensten Voraussetzungen zum Bergsteigen als Selbstverständlichkeit erscheinen ließ. Währen seiner Berufsausbildung und der späteren, bescheidenen Stellung als kaufmännischer Angstellter stand ihm lediglich der Sonntag zur Erfüllung seiner bergsteigerischen Ziele zur Verfügung. In dieser knappen Freizeit und mit der noch spärlicheren Geldtasche unterzog er sich mit beispielhafter Härte und klarer Zielsetzung einer Selbstbildung, die ihn zum großen Felsgeher in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre werden ließ. Mit 38 Erstersteigungen der oberen Schwierigkeitsgrade in der Notzeit zwischen den beiden Kriegen wurde Hansl zur Spitze der Felskletterer im Deutschen Sprachraum gezählt. Daß er dabei die großen Wände der damaligen Zeit in den nördlichen Kalkalpen und in den Dolomiten der Reihe nach anging und nach sorgfältiger Vorbereitung mit seiner bekannten Überlegenheit durchführte, bestätigte seine besondere Klasse. Dabei ging es ihm nicht nur um die klangvollen Ziele, sein unstillbares Verlangen nach dem Unbekannten, dem noch nicht Geschauten, sommers und winters, Wege die einfach nach oben führten, gleich welcher Art und Schwierigkeit, reihten sich in ununterbrochener Folge Jahr für Jahr.
Und in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg waren es eine lange Reihe großer, klassischer Wege zu den Gipfeln der Viertausender, die er nach Beendigung noch viele Jahre fortsetzte. Wurden seine Ziele mit fortschreitendem Alter zunehmend bescheidener, seine ihm angeborene Leidenschaft, der Drang, immer wieder oben zu sein ließ ihn kaum zur Ruhe kommen. Der Hansl mußte einfach gehen, gehen bis unmittelbar zum jähen Ende. Seinem Tourenbuch entnehmen wir, daß 2.731 mal sein Ziel - der Gipfel - erreicht wurde. Unzähligemale darüber hinaus mußte er aus Vernunftsgründen ein Unternehmen abbrechen, ward ohne Gipfel, aber nicht weniger zufrieden heimgekehrt. ein halbes Jahrhundert war er also unterwegs, unser Hansl, Jahr für Jahr, ununstets unter erschwerten Bedingungen im Gegensatz zu den meisten seiner Freunde. Dies konnte auch seine berufliche Besserstellung nach dem Kriege als Leiter eines führenden Bergsporthauses nicht ändern. Gerade in dieser Stellung war er ausgelastet abermals auf das Wochenende angewiesen. Bei fast allen Unternehmen und Veranstaltungen unserer Gemeinschaft war der Hansl der Nachläufer, mußte oft die Nacht dazu verwenden, aber immer war er da, war das beim Einstieg in eine Wand oder am Beginn einer geselligen Veranstaltung. Und wenn er da war, bei uns war, seine Anwesenheit bedeutete immer eine Freude für alle. Da war seine bedingungslose Hilfsbereitschaft, sein persönlicher Einsatz in allen Situationen. Nicht minder beachtet und beliebt waren seine stets passenden, gut überlegten Beiträge und Bemerkungen in heiteren und ernsten Gesprächen. Über alles aber stand seine Bescheidenheit und Zurückhaltung in allen Belangen, er wollte er durfte einfach nicht auffallen. Und dabei war seine Anwesenheit, wo auch immer, von besonderem Wert, konnte er sich der Anerkennung und Sympathien aller erfreuen. Bei aller Begeisterung zum Bergsteigen vergaß er niemals die Sorge um das Wohl seiner Familie und eine beispielhafte Pflichterfüllung in seinem Beruf. Nicht unerwähnt bleiben seine Verdienste um die Verbesserung und Weiterentwicklung der Bergsportausrüng, derer er sich ganz nach seiner Art in uneigennütziger Weise, weit über seine berufliche Tätigkeit hinaus, gewidmet hat. Besondere Anerkennung verdient seine mehr als 50jährige aktive Tätigkeit als alpiner Nothelfer und langjähriges Mitglied der Landesleitung Tirol des Österreichischen Bergrettungsdienstes. Das Goldene Ehrenzeichen des Österreichischen Bergrettungsdienstes für besondere Verdienste, noch mehr aber die Alpine Lebensrettungsmedaille "Das Grüne Kreuz", die höchste Auszeichnung des Österreichischen Alpenvereins, bestätigen, wie sehr sich Hansl der Pflichten eines großen Bergsteigrs bewußt war.
Lieber Hansl, nach 50jähriger Mitgliedschaft hast Du Deine Karwendler unerwartet und viel zu früh verlassen, eine große, kaum zu füllende Lücke ist dabei entstanden. Ehre und Ansehen hast Du dem Klub vielfach eingebracht, jeden Einzelnen zum wahren Freund gewonnen. Und daß ich dabei während dieser langen Zeit Dein Freund und Begleiter sein durfte, erfüllt mich mit Stolz und Dankbarkeit.
W. Mariner
Quelle: 80 Jahre Alpiner Klub „Karwendler“ – Bericht für die Jahre 1979-1983, Seite 32-33

Quelle: Der Bergsteiger 1985, Heft 11, Seite 91


Geboren am:
18.12.1908
Gestorben am:
13.05.1983

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