Gsaller Carl

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Biografie:
Karl Gsaller
Ehrenmitglied (1884-1931) des Akademischen Alpenklub Innsbruck
Durch das Ableben des Oberbaurates Karl Gsaller am 26. Dezember 1931 hat der Klub sein zweites Ehrenmitglied verloren, das außerhalb der Altherrenschaft war. Was das bedeutet, kann man daraus ermessen, dass nur zwei Bergsteigern diese Ehre zuteil wurde, nämlich nur noch Julius Pock, der schon 1911 gestorben ist und dessen Haupttaten und alpine Leistungen noch vor die Zeit der Klubgründung fallen. Gsaller war sicher damals, als er vom Akademischen Alpenklub zum Ehrenmitglied ernannt wurde, jenen als leuchtendes Beispiel erschienen, von unbeugsamer Kraft und von einer seltenen Zähigkeit und Ausdauer im Erkämpfen seiner bergsteigerischen Ziele und deren monographischer Ausarbeitung. Berühmt sind seine Erlebnisse am Pflerscher Tribulaun, deren Eindrücke er selbst noch vor einigen Jahren geschildert hat, woraus noch im hohen Alter seine kolossale Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst zu ersehen war. Bekannt ist sein Name noch in der Alpinen Welt durch seine Monographie über die Kalkkögel und über die Stubaier Alpen, in denen er im Laufe seiner bergsteigerischen Tätigkeit so manche Erstersteigung gemacht hat.
Karl Gsaller wurde im Jahre 1851 in Innsbruck geboren. Schon in jungen Jahren erwachte in ihm die Liebe zu den Bergen, und mit verlangender Begeisterung sah er zu den damals noch unerstiegenen Spitzen empor, die auf seine Vaterstadt herabsehen. Da nach Absolvierung der Realsschule die Geldmittel für den Besuch einer höheren Schule fehlten, beschäftigte er sich durch privates Studium in wissenschaftlicher Weise mit ipfel der Nordkette brachten. Als sein Vater im Jahre 1871 starb, nötigte ihn sein Vormund zum Eintritt in den Telegraphendienst. Jetzt wurde er leidenschaftlicher Bergsteiger! Jede freie Minute widmete er seinen geliebten Bergen, ohne Lehrmeister übte er sich im Felsklettern, den anfangs noch vorhandenen Schwindel unterdrückte er durch seine Willenskraft; systematisch härtete er sich gegen die Unbilden der Witterung und kalte Nachtlager auf Bergeshöhen ab, durch langsame Steigerung seiner bergsteigerischen Leistungen kräftigte er seinen Körper und war bald anstrengenderen Klettereien gewachsen. Er selbst schreibt: “Die Möglichkeit, hiebei einmal nicht mehr nach Hause zu kommen, nahm ich hin. Nun denn, schöner das Ende auf sonniger Bergeshöhe als herunten im dumpfen Tale.“ Da im Falle eines nicht sofort tödlichen Absturzes damals auf keine Hilfe zu rechnen war, hatte er sich diesbezüglich auch vorgesehen. Das Geheimnis, was da droben einmal geschehen werde, umhüllte seine Berge mit einem gewissen Zauber.
In den folgenden Jahren gelangen ihm eine Reihe von Ersteigungen, besonders im Karwendel, darunter auch einige Erstersteigungen. So manches Biwak mußte er mitmachen, so manchem Gewitter und Steinschlag trotzen. Dann im Jahre 1879 trat er sein Unglückstour auf den Pflerscher Tribulaun an, den er allein ersteigen wollte. Ein Felszacken auf dem Westgrat, auf den er sich verstiegen hatte, wies ihn ab und zwang ihn zum Rückzug auf das Sandesjoch. Auf dem steilen Firnfeld, das von diesem ins Gschnitztal hinabzieht, kam er ins Rutschen und fuhr mit dem Kopf voran in die Steine. Dabei zog er sich Verletzungen am Kopfe zu, die für sein ganzes, späteres Leben von schwersten Folgen sein sollten.
Drei Wochen später beging er den größten Fehlstritt seines Lebens. Entgegen ärztlichen Gutachten und gut gemeinten dringenden Abmahnungen unternahm er einen neuen Versuch zur Ersteigung des Tribulauns, diesmal mit Führer. Doch auch dieser scheiterte, da sein Kopf den Anstrengungen nicht gewachsen war. Beim Abstieg überraschte ihn ein Gewitter und zwang ihn in ganz durchnäßten Zustande zur Nächtigung in einer Almhütte auf dem bloßen Erdboden. Diesen voreiligen zweiten Versuch auf den Tribulaun, mußte er auch noch in späteren Jahren bereuen. Seine alpine Sturmzeit war nun zu Ende.
Die folgende Zeit benützte er zur Erholung in hochgelegenen Orten. Im Jahre 1881 nahte doch wieder die Versuchung. Die Brüder Zsigmondy und Ludwig Purtscheller luden ihn zu einer Besteigung des Pflerscher Tribulauns ein. Hier konnte er nicht nein sagen. Wie heldenhaft Gsaller seine Schmerzen, die ihm jede Bergtour späterhin einbrachte, ertrug, sagt uns vielleicht folgender Schlußsatz seiner Beschreibung . „Eine Besteigung des Pflerscher Tribulauns, eine denkwürdige Bergfahrt vor 40 Jahren“: „Ich ertrug sie mit Geduld und Verschwiegenheit den Menschen gegenüber, welche nur Vorwürfe für mich gehabt hätten, die Berufspflichten fanden jedoch ihre Erfüllung, mein Leid klagte ich nur den stummen Wänden und Felsen, fern von Menschengetriebe.“
In den kommenden Jahren stand er auf so manchem Gipfel des Karwendels und der Stubaier Alpen, um seine Messungen vorzunehmen. Wegen seiner orographisch-touristischen Studien über die Kalkkögel, die damals noch als unersteigbar galten, können wir ihn wohl als Schrittmacher für die Pichlerhütte bezeichnen.
Noch mit 76 Jahren nahm er an der Einweihung der Pfeishütte teil. Dies dürfte seine letzte Bergfahrt gewesen sein.
So haben wir in Gsaller einen Mann, einen Vorkämpfer des Alpinismus verloren, den das Schicksal schon in jungen Jahren mit seiner harten Hand ergriffen und fast für sein ganzes Leben zu einem kranken Mann gemacht hat, der aber trotz all dieser Mühsal immer noch sein warmes Herz für die Berge in Tat und Schrifttum bewahrt hat.
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1932, Seite 283-284


Geboren am:
28.02.1851
Gestorben am:
26.12.1931

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